Und immer wieder die Frage nach dem Geschlecht: Wir fordern Selbstbestimmung!
Das Recht, über die eigene Geschlechtsidentität zu bestimmen, ist in Deutschland mit großen Hürden belegt. Dass die Ampelkoalition endlich das TSG (Transsexuellengesetz) abschaffen und stattdessen ein Selbstbestimmungsgesetz implementieren will, wird nicht nur als historischer Meilenstein in die LSBTIAQ*-Geschichte eingehen, sondern bedeutet für die Biographie unzähliger Menschen einen befreienden Wendepunkt. Es ist höchste Zeit!
Umso wichtiger und dringender ist es derzeit, in aktuellen Debatten für die geschlechtliche Selbstbestimmung aller einzustehen.
Geschlechtliche Selbstbestimmung bedeutet das Recht, die eigene Geschlechtsidentität nach eigenen Gewissheiten zu bestimmen, zu definieren und zu benennen. Geschlechtliche Selbstbestimmung bedeutet das Recht, von zwangsweiser Geschlechtszuweisung frei zu sein. Diese Rechte halten wir für grundlegend für alle Menschen!
Geschlechtliche Identität ist weder an innere, noch an äußere Körpermerkmale gebunden. Geschlechtliche Identität ist nicht an Verhaltens- und Kleidungsnormen gebunden. Geschlechtliche Identität ist nicht an Vornamen und Pronomen gebunden.
Geschlechtliche Identität bedeutet die innere Gewissheit über die eigene Identität.
Und die Außenwelt? Die Gesellschaft? Reagiert darauf mit Regeln, Sanktionen, Zwängen oder Ausschlüssen.
Beispiel Eiswiese
Im Badeparadies Eiswiese müssen weiblich gelesene Personen ihren Oberkörper bedecken. Die eigene körperliche Freiheit wird als optische Belästigung anderer bewertet. Das wiederum macht vor allem deutlich, dass bestimmte Körpermerkmale von der Gesellschaft sexualisiert werden, statt einfach nur „da zu sein“. Hier findet eine Täter-Opfer-Umkehr statt! Und gleichzeitig ist Nacktheit in Saunen vorgeschrieben. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Und einmal mehr zeigt sich: Körper unterstehen der gesellschaftlichen Kontrolle. Unser Vorschlag: Exklusive Nutzungszeiten für genderqueere, trans* und inter* Personen mit Optionen zur Wahl der Schwimmbekleidung und mit sensiblen Lösungen für die Nutzung der Duschen.
Beispiel Politik und Medien
Einem Mitglied im Bundestag wird vorgeworfenen, missbräuchlich einen „Frauenquotenplatz“ zu besetzen. Es zählt nicht, dass Tessa Ganserer als Frau lebt. Und noch schlimmer: sie wird als Frau angefeindet und als Frau belästigt. Wir kritisieren scharf, wie respektlos die öffentliche Debatte in Teilen ist. Es ist trans*feindlich, den abgelegten Geburtsnamen (Deadname, früherer Vorname) oder die vermeintlichen physischen Geschlechtsmerkmale einer Person als scheinbaren Beweis einer „männlichen“ Identität ins Feld zu führen. Sind jemals die Genitalien aller Bundestagsmitglieder überprüft worden? Diese Vorstellung erscheint absurd, soll aber verdeutlichen, wie stark trans* Personen noch immer in unserer Gesellschaft bloßgestellt werden, sich für ihre Identität rechtfertigen müssen, ihre Identität beweisen müssen.
In beiden Fällen, dem Vorfall im Badeparadies Eiswiese und bei der Debatte zum Frauenquotenplatz, wollen Teile der Gesellschaft darüber entscheiden, was Geschlecht bedeutet und wovon Geschlecht abhängt.
Wir, der Verein Queeres Göttingen, machen uns dafür stark, dass es für die individuelle geschlechtliche Identität keine Voraussetzungen, keine Bedingungen und keine Zwänge geben darf. Identität braucht keine Rechtfertigung! Identität verdient Respekt!